Haushaltsrede der SPD-Fraktionsvorsitzenden Sabine Roth

Kommunalpolitik


Sabine Roth

Die große Konstante der Haushalte der letzten Jahre war die stetige Erhöhung des Volumens. Betrug dieses vor vier Jahren noch - heute fast bescheiden anmutende - 80 Mio. Euro, wächst es im Jahr 2017 schon auf die stolze Summe von 101 Mio. Euro. Ein Rekord, der sehr wahrscheinlich nicht lange Bestand hat.

Man könnte also meinen, unsere Stadt schwimme im Geld.
Das tut sie leider nicht - auch wenn es dank potenter Gewerbesteuerzahler und dank der guten Arbeitsmarktlage im Moment keinen Grund zur Klage gibt, und die geplanten Einnahmen im Jahr 2017 mit 85 Mio. Euro ebenfalls auf Rekordhöhe liegen.
Denn nicht zuletzt ist das hohe Haushaltsvolumen die Folge stetig wachsender Ausgaben: allein die Investitionen machen 2017 mit 21 Mio. Euro ein Fünftel des gesamten Haushalts aus. Und weil unser Sparstrumpf, die Rücklage, mit 2 Mio. Euro eher einem Notgroschen gleicht, müssen mit 11 Mio. Euro gut die Hälfte dieser Ausgaben durch Kredite finanziert werden. Zwei Faktoren machen die Verschuldung für uns dennoch erträglich: die historisch niedrigen Zinsen, die die Belastung des Haushalts in überschaubaren Grenzen halten - und die Nachhaltigkeit der Investitionen.
So setzen wir für eine erste Rate von 5,5 Mio. Euro die Beschlüsse zur Schulentwicklung um und errichten in Hirschlanden ein neues Schulgebäude, das die baufälligen Pavillons der Grundschule ersetzt, und der Gemeinschaftsschule Räume für ihre pädagogische Arbeit bietet. Auch in die anderen Schulen wird investiert: eine erste Rate von 90 Tsd. Euro für den Ausbau der Ganztagesbetreuung in Heimerdingen, 400 Tsd. Euro für den Brandschutz an der Wilhelmschule und im Schulzentrum, und weitere 400 Tsd. Euro für Umbau von Fachräumen an Gymnasium und Realschule. Die Planung für den Umbau der KKS zur gemeinsamen Grundschule wirft ebenfalls ihre Schatten voraus. Hierfür sind 180 Tsd. Euro vorgesehen.
Für 2,8 Mio. Euro soll zudem der Baubeginn der neuen Sporthalle beim Schulzentrum an der Gröninger Straße erfolgen. Endlich - denn die Kapazitäten der alten, im Mai 2012 abgebrannten Halle in der Gartenstraße werden von Schulen und Vereinen überaus schmerzlich vermisst.
6,6 Mio. weitere Euro, vorwiegend über Kredite finanziert, wird der Bau von weiteren Flüchtlings-unterkünfte kosten. In den Eigenbetrieb Wohnungswirtschaft ausgelagert, taucht diese Summe ebenso wie die Investitionen in den Eigenbetrieben Wasser und Abwasser nicht im Kernhaushalt auf, ist aber über Verlustabdeckungen dennoch haushaltsrelevant.
Wir brauchen diese Unterkünfte. Auch wenn dank der Angebote privater Vermieter, über die wir sehr froh sind, schon viele Flüchtlinge in bestehendem Wohnraum untergebracht werden konnten. Auch wenn die vom Landkreis angekündigte Zahl Aufzunehmender inzwischen kleiner geworden ist.
Ob sie bereits ausreichen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Investiert wird auch am Bahnhof. Nach der Einweihung von Bahnhofscenter und neuem ZOB soll die nach Aufgabe des provisorischen ZOB freiwerdende Fläche entlang der Gleise von einem Investor bebaut werden. Für die Stadt fallen dabei Kosten in Höhe von 1,4 Mio. Euro für Planung und vorbereitende Maßnahmen an.

Und noch mehr Baustellen… Wer in den letzten Wochen durch Ditzingen fuhr, sah sich in fast wöchentlichem Takt mit einer anderen Verkehrsführung konfrontiert. Schuld daran waren unsere Stadtwerke, denn sie verlegten das für den Neubau der Fa. Trumpf benötigte Starkstromkabel quer durch die Stadt. Ebenso sorgen Sanierungsarbeiten am alternden Kanalnetz immer wieder für unliebsame Straßensperrungen, und für Chaos im Berufsverkehr. Um zumindest den Verkehrsfluss in der Siemensstraße zu verbessern, sind im Haushalt 2017 80 Tsd. Euro für die Neuprogrammie-rung der katastrophalen Ampelschaltung vorgesehen.
Ausreichen wird dies jedoch nicht, um den täglichen Stau im Berufsverkehr zu beseitigen.
Aus diesem Grund begrüßen wir jede Maßnahme, die die Menschen zur Nutzung anderer Verkehrsmittel bewegen kann. Radeln ist - auch dank Elektroantrieb - wieder zum Volkssport geworden. Der Bau von Radwegen und Radstreifen, sowie die bessere Vernetzung und Ausschilderung der Radrouten sind wichtige Vorhaben, um diese für Gesundheit und Umwelt freundliche Art der Fortbewegung für noch mehr Menschen attraktiv zu machen. Ebenso wichtig ist uns die Förderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie die Bezuschussung von Buslinien, von Jobtickets für Mitarbeiter der Verwaltung, für die Bereitstellung von Park & Ride Plätzen und sicheren Abstellplätzen für Fahrräder am Bahnhof.
Pünktlichkeit, Takt und Kapazitäten von S-Bahnen hingegen liegen nicht in unserer Hand, und müssen dringend verbessert werden. Ein erster Schritt hierzu ist getan und führt hoffentlich zur dauerhaften Verbesserung des Angebots. Sonst nutzen alle örtlichen Maßnahmen nur wenig, sonst werden sich weder Feinstaub- noch Jobticket zu den erhofften Verkaufsschlagern entwickeln.
Vom Verkehrschaos nicht minder geplagt ist unser Stadtteil Heimerdingen, der seit Jahren vergeblich auf den Baubeginn seiner Ortsumfahrung hofft. Die Stadt hat ihren Teil dazu beigetragen und die überaus komplexe Planung erstellt. Nun liegt der Ball beim Land…und scheint dort recht gut zu liegen. Trotz des Einsatzes von Landtagsabgeordneten und trotz des Engagements der neu gegründeten Heimerdinger Bürgerinitiative ist bis heute keine Bewegung bei den zuständigen Behörden zu erkennen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt – und Weihnachten steht vor der Tür. Vielleicht findet sich ja ein positives Signal des Landes unter dem Weihnachtsbaum.

Eine andere Baustelle wird ebenfalls sehnsüchtig erwartet. Nach langen Jahren der Planung scheint das große Neubaugebiet am östlichen Ortsrand der Kernstadt jetzt nicht mehr weit von der Erschließung entfernt.
Bezahlbarer Wohnraum wird dort ohne Förderung durch die Stadt allerdings nicht entstehen.
Ebenso wenig wird diese Aufsiedelung den Druck auf den Wohnungsmarkt ausreichend mindern, um an anderer Stelle einen Rückgang der Preise zu bewirken. Menschen mit geringem Einkommen werden in Ditzingen weiterhin kaum Chancen auf eine bezahlbare Wohnung haben.
Im März 2014 hatte meine Fraktion deshalb den Antrag auf Erstellung eines Konzeptes für sozialen Wohnungsbau gestellt. Im Herbst 2015 wurde dieser Antrag zum ersten Mal im Rat diskutiert - und wieder verworfen, weil dem Gremium die Kosten für den externen Planer zu hoch waren. In den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres schließlich ging unser Antrag in einem von der CDU gestellten zur Wohnbauplanung auf. Dem folgte eine Ratsklausur im Juli dieses Jahres. Darüber hinaus geschehen ist - seitdem nichts.
Bis auf den Beschluss, Flüchtlingsunterkünfte so zu bauen, dass sie irgendwann als günstiger Wohnraum genutzt werden können, gibt es bis heute keine konkrete Maßnahme zur Verbesserung der Wohnsituation für weniger betuchte Bewohner unserer Stadt. Ein Armutszeugnis, vor allem angesichts der Tatsache, dass inzwischen alle politischen Gruppierungen dieses Problem erkannt haben.

Sorgen bereitet uns darüber hinaus ein anderes Thema.
Der Blick auf die laufenden Kosten im Verwaltungshaushalt zeigt, dass auch sie nur eine Richtung kennen: nach oben. Das funktioniert, solange die Einnahmen ebenso steigen. Selbst eine kurze wirtschaftliche Flaute mit geringeren Gewerbesteuereinnahmen könnten wir wohl verkraften. Brechen die Einnahmen jedoch über einen längeren Zeitraum weg, müssen wir vieles auf den Prüfstand stellen.
Große Handlungsspielräume haben wir dabei allerdings nicht.
Nicht zu Unrecht beklagen sich die Kommunen über die wachsende Tendenz bei Bund und Ländern, ihnen neue und kostspielige Aufgaben zuzuweisen, ohne sie finanziell dafür auszustatten.

Als erstes Beispiel möchte ich das Recht auf einen Betreuungsplatz anführen, der einen massiven Ausbau der Kleinkindbetreuung erforderlich machte. Der Bau von Einrichtungen wird vom Bund bezuschusst, die Betriebskosten vom Land. Dennoch bleibt ein Großteil der Kosten für Personal und Betrieb den Gemeinden überlassen, die sich obendrein mit Klagen von Eltern konfrontiert sehen, die keinen Platz für ihr Kind erhalten.
Der Bund hat dieses Recht geschaffen und damit Ansprüche geweckt, die derzeit in der Praxis oft nicht erfüllt werden können. Der Arbeitsmarkt für ErzieherInnen ist leergefegt. Volle Planstellen müssen wegen des Wunsches nach Teilzeitarbeit oft mit mehreren Fachkräften besetzt werden, was den Personalbedarf noch mehr erhöht. Schwangere Erzieherinnen fallen mit Bekanntwerden der Schwangerschaft aus. Erkranktes Personal kann wegen fehlender Springerkräfte nicht kurzfristig ersetzt werden, wird aber dringend benötigt.
Die Betreuungszeiten hingegen werden länger, die Kinder immer jünger, und damit betreuungsintensiver.
Das ist Alltag in vielen Kitas landauf landab, von niemandem so gewollt oder gar geplant, aber dennoch existent. Und eine rasche Lösung ist nicht in Sicht, weil auf jede neu ausgebildete Fachkraft viele freie Stellen warten. Frustration ist die Folge: bei Eltern, die keinen Platz für ihr Kind finden, und bei den hochengagierten Kräften in den Einrichtungen, die zunehmend an ihre Grenzen kommen.
Hinzu kommen die steigenden Kosten für die Kommunen. Trotz der Gebührenerhöhungen in den letzten beiden Jahren wächst das Defizit im laufenden Betrieb der Ditzinger Kitas von knapp 7 Mio. Euro im Jahr 2015 auf 7,65 Mio. Euro im Jahr 2017, und zwingt auch uns, über eine weitere Anhe-bung der Gebühren nachzudenken. Dabei ist und bleibt unsere zentrale Forderung die Vermeidung von sozialen Härten.

Auch in anderen Bereichen werden die Kommunen im Stich gelassen.
Inklusion ist ein Menschenrecht, und wird von der EU per Gesetz eingefordert. Umgesetzt und bezahlt wird sie aber vor Ort, in Kitas und Schulen. Im konkreten Fall von Ditzingen bedeutet dies: die seit 1.8.2015 gültige Verankerung der Inklusion im Schulgesetz hatte einen drastischen Rück-gang der finanziellen Unterstützung für die Inklusionsschüler an der Theodor-Heuglin-Schule zur Folge. Wurde die Aufnahme von 32 Inklusionsschülern im Schuljahr 2014/15 noch mit 102 Tsd. Euro unterstützt, so erhielt die Stadt nach der Gesetzesänderung für die doppelte Anzahl, nämlich 66 Inklusionsschüler, mit 106 Tsd. Euro fast denselben Betrag. Wie auf diese Weise Inklusion gelingen soll, bleibt ein Geheimnis des Gesetzgebers.
Auch in den Kitas ist gelungene Inklusion nur durch intensive persönliche Begleitung möglich, die wiederum Geld kostet. Und auch dort wollte den Aufwand bisher niemand bezahlen. Dank einer Initiative der SPD-Kreistagsfraktion wurden die Zuschüsse des Landkreises vor kurzem erhöht. Ob sie ausreichen, soll nach zwei Jahren überprüft werden. Darauf hoffen wir.
Denn die Leidtragenden sind stets die Menschen vor Ort - und die politisch Verantwortlichen, die für solche Angebote entweder auf ungewisse Zeit in Vorleistung gehen oder sich dem Unmut der Betroffenen stellen müssen.

Vor eine ganz neue Herausforderung stellt uns die Betreuung von Flüchtlingen. Die gleichzeitige Ankunft so vieler Menschen hat dem normalerweise recht gut organisierten deutschen Gemeinwesen die Grenzen deutlich aufgezeigt - und zugleich ungeahntes Improvisationstalent zu Tage gefördert. Inzwischen haben sich die Abläufe eingespielt, ist das Chaos überschaubar geworden.
Die eigentliche Aufgabe jedoch liegt nun bei den Kommunen. Menschen aus einem anderen Kulturkreis, aufgewachsen mit einer anderen Sprache und meist auch anderen Wertvorstellungen, müssen lernen, sich in unserer Welt zurechtzufinden und in ihr zu bestehen. Eine Verwaltung kann dies allein nicht leisten.
Deshalb sind wir sehr dankbar für das große Engagement aller, die sich aktiv für die Integration der Flüchtlinge einsetzen. Bitte lassen Sie sich auch durch Rückschläge nicht entmutigen! Ihre Arbeit ist ungeheuer wichtig - für beide Seiten.
Und nicht nur Flüchtlinge brauchen Unterstützung. Ungeachtet des allgemeinen Wohlstandes in der Region gibt es Menschen, denen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aus verschiedenen Gründen erschwert oder gar unmöglich ist. Körperliche und geistige Einschränkungen können dafür verantwortlich sein, mangelnde Finanzkraft, oder fehlender Zugang zu wichtigen Informationen, um nur einige Gründe zu nennen. Oft helfen auch hier ehrenamtlich Engagierte, von denen es in Ditzingen zum Glück sehr viele gibt, sei es in kirchlichen Gruppen, in der Bürgerstiftung, oder in anderen Bereichen wie der Feuerwehr. Oft helfen Freunde oder Verwandte. Oft kann aber auch die Stadt etwas für diese Menschen tun.
Die städtische SODI leistet einen wichtigen Beitrag, indem sie älteren Bewohnern unserer Stadt den Verbleib im vertrauten Umfeld ermöglicht und Angehörige bei der Pflege entlastet.  
Die Verwaltung ist um die Schaffung von Barrierefreiheit im öffentlichen Raum bemüht.
Meine Fraktion unterstützt diese Maßnahmen ausdrücklich. Wir sehen eine wichtige Aufgabe der Zukunft darin, Bedingungen für eine bessere Teilhabe auszuloten und ihre Umsetzung voranzutreiben.
Denn das Leben findet in den Kommunen statt. Und nur wer seinen Platz dort findet, wer an ihr teilhaben kann, wird sie aktiv und konstruktiv mitgestalten. Die Bedingungen dafür zu schaffen, liegen nicht allein in Händen der Politik. Aber sie kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Einige Ansätze dafür enthält der Haushaltsplan 2017, dem letzten nach kameralem Recht. Wir stimmen ihm ebenso zu wie der Finanz- und Investitionsplanung für die Jahre 2016-2020 und den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe.

Zum Schluss möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei Herrn Maier, Herrn Hermann und dem Team der Kämmerei für die übersichtliche und gut dokumentierte Ausarbeitung des Haushaltsplanentwurfs bedanken. Auch den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung gilt unsere Anerkennung für ihre - nicht immer als solche wahrgenommene, aber dennoch sehr wichtige Arbeit.
Herrn Oberbürgermeister Makurath und Herrn Bürgermeister Bahmer, und nicht zuletzt den Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates danke ich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit im vergangenen Jahr.

Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, und die Wege dorthin nicht immer allen gefallen, weiß ich, dass unsere gemeinsamen Anstrengungen dem Wohl der Einwohner dieser Stadt gelten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Sabine Roth, SPD-Fraktionsvorsitzende

 

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